Episode 4 – Als der Gunman seine Meisterin fand – die großen Jahre bis zur Vizemeisterschaft

Der Sprung in die 1. Bundesliga war 97/98 mit Anna Stammberger als Spielertrainerin geglückt. In nur wenigen Jahren waren „die Rentrops“ in der obersten deutschen Spielklasse angekommen, Man war gekommen um zu bleiben, denn Stammbergers Pläne gingen über den bloßen Klassenerhalt hinaus. Als international gut vernetzte Basketballgröße nutzte die ehemalige kanadische Nationalspielerin ihre Kontakte und schon bald fanden sich neue Gesichter im Godesberger Pennenfeld wieder.

Ein wirklicher „Steal“ war dabei die Verpflichtung von Irina Minch, einer Russin mit deutschen Wurzeln, die nach ihrer Nationalmannschaftskarriere „im Westen“ ein neues Betätigungsfeld suchte. Einige Jahre spielte sie in Bochum und kam dann über den Umweg Österreich an den Rhein. Minch war aber nicht irgendwer sondern Teil der sowjetischen Frauenmannschaft, die 1992 in Barcelona bei Olympia Gold geholt und dabei die hoch favorisierten Amerikanerinnen aus dem Rennen geworfen hatte. Dazu kamen zwei Europäische Titel und eine Vizeweltmeisterschaft.

Minchs große Stärke war der erfolgreiche Distanzwurf, den die „nur“ 1,78 große Flügelspielerin mit einer unnachahmlichen Technik ausführte. Heutige Jugendtrainer würden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sofort korrigierend eingreifen. Der merkwürdige Schleuderwurf der hochdekorierten 200-fachen russischen Nationalspielerin mit deutschem Pass ließ sie zu einer allseits gefürchteten Bundesliga-Spielerin werden. Und die BG wurde vom Abstiegskandidaten zu einem deutschen Spitzenteam.

Helmut Beines (Foto rechts) war damals Hallensprecher und Betreuer des Bundesligateams bei der BG. Seine Lieblingserinnerung an Minch? Bei einer Basketball-Gala gab es einen Dreier-Contest zwischen Irina Minch und dem „Gunman aus Iowa“ Hurl Beechum von den Telekom Baskets. Beines erinnert sich: „Hurl traf in einer Minute 14 Dreier aus fünf unterschiedlichen Positionen und verließ siegesgewiss lächelnd das Feld. Irina ging ebenso lächelnd auf das Feld und traf mit ihrer einzigartigen Wurftechnik die ersten 15 Dreier in Serie, insgesamt 20. Hurls Gesicht wurde von Treffer zu Treffer länger…“ Noch eine Kostprobe aus Beines‘ Anekdotenschränkchen: „Irina machte sich vor jedem Spiel immer schick und bestritt die Spiele stets akkurat geschminkt. Auf meine Frage, warum sie sich vor dem Spiel schminke, antwortete sie nur in Deutsch mit russischem Akzent: „Chelmut, muss ich doch gut für meine Gegner aussehen.“ „Chelmut“ blieb nach dem Ende seiner BG-Zeit übrigens bis heute bei den ASV-Rollstuhlbasketballern dem Sport treu.

Den nächsten wichtigen Puzzlestein fügten Stammberger und Co. in Person von Gabriela Mrohs-Czerkwaski hinzu. Die polnische Nationalspielerin gab der BG unter den Körben Präsenz und war stets für 20 Punkte gut, Die Achse Stammberger – Minch – Mrohs-Czerkawski sollte das BG-Spiel über einige Jahre prägen, dazu kam 2001 mit Janice King eine junge Kanadierin von Stammbergers eigener Dalhousie University.

Im ersten Bundesligajahr 1998/99 landete die BG nach der Hauptrunde auf Rang 6 und unterlag Marburg im Viertelfinale. Das Spielchen sollte sich 1999/2000 mit dem Play-off-Aus gegen die Hessinnen wiederholen. Die erste Spielzeit des neuen Jahrhunderts endete für die BG mit dem undankbaren 8. Platz, der im Achtelfinale ein Date mit den als unschlagbaren geltenden Abonnements-Champion BTV Gold-Zack Wuppertal bereithielt. Bonn verlor beide Partien.

Nach dem eher enttäuschenden achten Rang gingen Stammberger und ihr Team die Spielzeit 2001/02 mit der Hoffnung an, in die Play-offs zu kommen. Der sechste Platz nach der Hauptrunde bescherte den Bonnerinnen im Viertelfinale das Duell gegen den TSV 1861 Nördlingen. Überliefert ist, dass Nördlingens Coach die BG Routiniers aufgrund deren Alters als „betagte Damen“ bezeichnet hatte. Stammberger brauchte nicht viel Motivation für diese Serie, lediglich einen Zeitungsausschnitt. Bonn gewann im Pennenfeld mit 79:74 und auch auswärts nach großer Aufholjagd mit 85:84. Erstmals stand man im Halbfinale und musste wieder einmal gegen Marburg bestehen. In Marburg siegten die Rentrop-Damen mit 81:68 und machten den Finaleinzug durch einen 71:60-Erfolg vor den zahlreichen heimischen Fans klar. Dort wartete wie im Jahr zuvor das Wuppertaler Starensemble. Spiel eins der Best-of-Five-Serie ging sehr deutlich an die Bergischen (101:71), die BG-Hoffnungen ruhten auf dem Heimspiel im Pennenfeld wo diesmal eine große Kulisse ihr Team nach vorne peitschte. Wir lassen den General-Anzeiger von damals zu Wort kommen:

„Über 1 000 begeisterte Zuschauer – unter ihnen Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann – verwandelten nach dem Schlusspfiff des zweiten Finalspiels um die deutsche Basketball-Meisterschaft den Sportpark Pennenfeld in einen Hexenkessel. Zwar unterlagen die Damen der BG Rentrop Bonn dem Serienmeister Gold-Zack Wuppertal mit 67:79 (15:17, 17:18, 16:19, 19:25) – doch den Fans war das egal. Sie feierten ihr kämpferisch überragendes Team, das das seit fast zwei Jahren ungeschlagene Spitzenteam das Fürchten gelehrt hatte. „Es ist ein Wunder, dass die BG das Endspiel erreicht hat. Und im Finale kann alles passieren, das weiß ich selbst am besten“, meinte der ehemalige Coach der Telekom Baskets Bonn, Bruno Soce, zur Halbzeit.“

Für die BG Rentrop Bonn spielten damals: Gebel, Stammberger (14), Minch (21/2), Mrohs-Czerkawski (14), King (8), Bamberg, Deutschova (4).

Leider hatte das Match zu viel Kraft gekostet, denn nur zwei Tage später holte sich Wuppertal daheim seinen nächsten und letzten Meistertitel durch einen 98:62-Erfolg gegen müde Bonnerinnen.

Im darauffolgenden Jahr erreichte die BG noch einmal Platz 5, schied im Viertelfinale aber gegen Saarlouis aus. Der dritte Platz im Pokalwettbewerb war dann nach acht erfolgreichen Jahren am Rhein auch der letzte Akt der Erfolgsgeschichte Stammberger. Die inzwischen 41jährige mit zwei Kids im Grundschulalter wollte einfach mehr Zeit mit der Familie verbringen. Und niemand, wirklich niemand konnte es ihr verdenken…

Foto Beines: Wunderl Fotographie