Episode 1 – Elefanten im Kreißsaal der BG

Zeitzeugen sind eine prima Sache. Sie waren halt hautnah dabei. Wie gut, dass wir in Bonn den Basketball-Zeitzeugen schlechthin befragen können. Baskets-Präsident Wolfgang Wiedlich hat sich gerne an die Anfangszeit der Bonner Basketball-Euphorie erinnert. Der Bundesverdienstkreuzträger war Mitbegründer der BG Bonn und steht wie kein Zweiter für den andauernden Erfolg der Sportart weit über die Grenzen der Bundesstadt hinaus…

Herzlichen Glückwunsch!

Gerne komme ich der Bitte nach, zum 30. Geburtstag des BG Bonn 92 e.V. als Zeitzeuge im BG-Kreißsaal (1992) einmal in meinem Gedächtnis zu kramen.

Ende der 1980er Jahre mühten sich die Basketball-Abteilungen des Godesberger TV und SC Fortuna Bonn (Kessenich) redlich um ein sportliches Fortkommen. Ein Haufen Basketball-Verrückter hatte einen Haufen Spaß dabei, die eigene Lieblingssportart in Bonn zur Haupt-Teamsportart zu machen. Eigentlich standen die Chancen gut. Fußball als deutsche Ober-Volkssportart dümpelte in der Spitze vor sich hin. Bonn blieb bis heute die größte deutsche Stadt, in der noch nie Bundesliga-Fußball stattfand. Das lange Dasein als deutsche Volleyball-Hauptstadt mit zwei Bundesligisten (!) und viel Begeisterung war indes an gnadenloser Lokalkonkurrenz zerbrochen. Zwar schnupperte im Basketball der GTV Zweit-/Erstligaluft und die Fortuna war, in der 3. Kreisliga startend, in der Regionalliga angekommen, aber es fehlte unterm Strich die wirtschaftliche Basis für mehr, aber auch an professionellen Strukturen hinter dem sportlichen Teil. Der GTV-Basketball hatte zum Beispiel seine Haupterlösquelle aus einer Mischung von Weihnachtsbaum-Verkauf, Katzenhotel und Tankstellen-Blumen. Es war eine verrückte Zeit, deren wichtigste Ressourcen Herzblut und sportliche Kompetenz waren.

Die wichtigste Voraussetzung zur Geburt der Basketball-Gemeinschaft Bonn 1992 bestand darin, dass Bonns Basketball-Platzhirsche GTV und Fortuna nicht den Bonner „Volleyball-Fehler“ wiederholten. Es ging um Zusammenarbeit, möglicherweise um eine Fusion, und darum, das lokale Konkurrenzdenken in die unterste Schublade zu verbannen. Ein mit mir befreundeter „Vereinsexperte“ sagte damals: „Wer die Eitelkeiten in Vereinen kennt, kann erahnen, was das für eine psychologische Herkulesaufgabe war.“ So war es auch, weshalb es einen neutralen Leithammel als Geburtshelfer brauchte.

Das war Dr. Hans Braun, dessen drei Töchter im GTV Basketball spielten. Insofern war er für besonders kritische Geister nicht ganz neutral. Aber Hans war ein geistreicher Zeitgenosse, dazu sympathisch und ein rhetorisches Genie. Dahinter reihten sich die kompetenten Praktiker ein, unter denen man sich zuverlässig rotierende Dieselmotoren vorstellen kann. Wenn ich das so erzähle, suggeriert das „Friede, Freude, Eierkuchen“ im BG-Kreißsaal, aber so war es natürlich nicht. Immer wieder flackerten Konkurrenzreflexe auf, aber am Ende siegte die Vernunft. Die Fusion der Basketball-Abteilungen von GTV und Fortuna (mit dem Segen der Hauptvereine) war nicht mehr aufzuhalten. Pure Basisdemokratie: Eine große Mehrheit von 95 aktiven GTV-Basketballerinnen und -Basketballern sowie 164 Fortuna-Aktiven stimmten dafür. „Elefanten-Hochzeit“ titelte der General-Anzeiger.

Es begannen bewegte und abenteuerliche Jahre. Bald zeigte sich, dass die Fusion zwar sportlich richtig war, aber den Bonner Basketball nicht automatisch auf ein neues wirtschaftliches Level hievte. Die alten Probleme blieben die neuen, zumal die BG Bonn 92 auch hochklassigen Damen-Basketball-Teams zu finanzieren hatte. Aber die BG war gegründet. Sie lebt bis heute mit wunderbaren Erfolgen im Jugendbereich und war zwischenzeitlich (1997 bis 2004) ein Riese im Damen-Basketball mit dem Höhepunkt der Deutschen Vizemeisterschaft im Jahr 2002.

Die Bonner-Basketballhistorie lässt sich aus dem Blickwinkel von „Hinterher ist man immer schlauer“ auch so deuten: Zwar wurde der Weggang des Herrenbereichs zum Post-SV Bonn (bereits 1993), um in den Genuss eines Telekom-Sponsorings zu kommen, zunächst bedauert, aber dadurch wurde der Weg frei für einen Sponsor im Vereinsnamen: BG Rentrop Bonn. Ohne diesen „Rentrop-Zutritt“ im Vereinsnamen wäre der furiose Fortschritt im Damen-Basketball wirtschaftlich unmöglich gewesen. Das gilt genauso für Telekom und Baskets im Herrenbereich. Insofern: Alles richtig gemacht, aber ohne Masterplan und nicht einem Kompass folgend, sondern instinktsicher aus der damaligen Situation heraus.

Es freut mich 30 Jahre später sehr, wie die BG Bonn 92 sich entwickelt hat, z.B. zum neuntgrößten Basketballverein Deutschlands 2021. Fazit: Es ist ein Staffellauf der Generationen. Obwohl der beklagte Egoismus-Trend in unserer Gesellschaft Fakt ist, überleben immer wieder einige Basketball-Verrückte den schnöden Zeitgeist und treiben ihre Lieblingssportart nach vorn. Gemeinsam haben wir, BG und Baskets, viel erreicht. Das spiegelt sich in zwei Zahlen:

Belegung aller kommunalen Hallenstunden mit Basketball in Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt: 0,9 Prozent

Belegung aller städtischen Hallenstunden in Bonn mit Basketball (inkl. Telekom Dome): 9,8 Prozent

Ich gratuliere HERZlichst zum 30. Geburtstag!

Wolfgang Wiedlich

1992: Mitgründer des BG Bonn 92 e.V.
2022: Präsident Telekom Baskets Bonn e.V. (seit 1998)

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